Augenblick und Dauer in der Kunst von Win Labuda - page 1

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Augenblick und Dauer in der Kunst
vonWin Labuda
ein Konzept von Nadja Labuda (1998)
Zeit ist einer der wesentlichen Aspekte des menschlichen Schaffens. Die
Endlichkeit jedes Einzelnen von uns ist der Kernpunkt jeder Religion und
Philosophie, die vom Menschen erdacht wurden. Und der Kampf gegen
diese Endlichkeit trug über die Jahrhunderte hin die verschiedensten
Früchte. Dem weiblichen Prinzip wohnt die Idee inne, durch das Gebä-
ren eines Kindes in die Ewigkeit einzugehen. Demgegenüber steht das
männliche Prinzip, das durch geistige Nachkommenschaft die Endlich-
keit dann zu überwinden vermag, wenn der Gedanke oder das Werk Un-
sterblichkeit erlangt. Dieser Aufsatz ist der Versuch einer Tochter, sich mit
einem geistigen Kind ihres Vaters auseinander zu setzen und damit eine
Brücke zu schlagen zwischen weiblichem und männlichem Prinzip, zu-
gleich aber auch zwischenWerk undWirklichkeit.
Der Aspekt Zeit, als dargestelltes Kontinuum, hielt in die Kunst zu einem
wesentlich späteren Zeitpunkt Einzug als in die Literatur oder in die Na-
turwissenschaften. Dies lässt sich erklären durch die Nichtstofflichkeit
der Zeit. Als Ding lässt sich Zeit nicht darstellen, lediglich durch Progres-
sion einzelner Szenen. Diese Darstellungsart wurde u. a. von den Grie-
chen im Fries der Tempel gebraucht, um eine Schlacht darzustellen.
(Parthenon - Tempel, Akropolis, Athen, begonnen 449 v. Chr.)
Dabei wurden im oberen Teil des Tempels in einzelnen rechteckigen Fel-
dern die verschiedenen Szenen in ihrer zeitlichen Abfolge wiedergege-
ben. Den Griechen war allerdings keineswegs daran gelegen, die Zeit dar-
zustellen, sondern viel eher das heldenhafte Handeln eines Kämpfers.
Diese Darstellungsweise wurde imMittelalter beibehalten.
Erwähnenswert sind in dem Zusammenhang die Stundenbücher des
Herzogs von Berry, Ende des 14. Jh. Diese Bücher, in denen Gebete für
die verschiedenen Tageszeiten festgehalten wurden, enthalten reich aus-
gestattete Monatsbilder und Darstellungen von Heiligenviten. Auch in
diesem Fall wird das Leben der Heiligen in einer historischen Abfolge
einzelner Szenen dargestellt. Bis zur Darstellung von gegenwärtiger Zeit
bzw. dem Phänomen, der Veränderung, vergingen noch viele Jahrhun-
derte.
Ich sehe den Beginn dieser besonderen Art der Darstellung in den seriel-
len Arbeiten Monets Ende des vorletzten Jahrhunderts. Wichtig ist jedoch
nicht nur der Aspekt Zeit, sondern auch die serielle Darstellung von Bil-
dinhalten. Dieses Konzept war damals ein Novum, welches teils skep-
tisch, teils mit Begeisterung aufgenommen wurde. Am Anfang der Seri-
enarbeiten Monet's stehen die Heuschober bei Giverny, 1885, 65x81 cm,
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